Wir möchten die Entwicklungen, die in den letzten Wochen und Tagen auf den Stahlmärkten zu erleben waren, etwas zusammenfassen. Dies kann ausdrücklich nur in einem recht allgemeinen Rahmen geschehen. Die Gegebenheiten ändern sich zurzeit rasant mit unterschiedlich großen Auswirkungen auf die verschiedenen Produkte und Teilmärkte.
Handelsbeschränkungen
Als Reaktion des Angriffs Russlands auf die Ukraine hat die EU-Kommission verschiedene Maßnahmen ergriffen, die den Handel mit Russland stark einschränken sollen. Einen sehr guten Überblick bietet die Website von Germany Trade and Invest - Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH: https://www.gtai.de/de/trade/russland/zoll/eu-sanktionen-gegenueber-russland-811200
Schon Ende Februar wurden Warenimporte, u.a. auch für Stahlerzeugnisse, aus den nicht von der Kiewer Regierung kontrollierten Gebieten der Oblaste Donezk und Luhansk verboten. Anfang März wurden Einfuhren von Stahlprodukten aus Belarus verboten, Mitte März Importe von Stahlerzeugnissen aus Russland. Einfuhren aus der Ukraine sind theoretisch möglich, praktisch aber häufig unmöglich. Viele Werke produzieren kriegsbedingt zurzeit nicht. Die Logistik ist massiv gestört.
Um zumindest eine theoretische Möglichkeit zu schaffen, die nun wegfallenden Importmengen zu kompensieren, hat die EU-Kommission beschlossen, dass Material in selbiger Größenordnung aus anderen Ländern zollfrei in die EU importiert werden kann. Dazu wurden die bestehenden Safeguardregelungen ab dem 1. April 2022 angepasst. Die gestrichenen Importkontingente für Russland und Belarus werden anteilig auf andere Lieferländer verteilt, deren Safeguardkontingente sich entsprechend erhöhen. Ob jedoch in der Praxis andere Lieferländer aus entfernten Regionen kurzfristig die entstehenden Lücken füllen können, ist unseres Erachtens fraglich.
Das Importverbot bezieht sich nicht auf Halbzeug wie Knüppel oder Brammen. Diese Produkte fallen auch nicht unter die Safeguardregelungen. Sie dienen als Vorprodukte für die Fertigung von Walzstahlfertigerzeugnissen und Rohren. Allein der Import dieser Produkte aus Russland in die EU betrug im Jahr 2020 3,6 Millionen Tonnen. Ob und wie in der Praxis diese Produkte noch aus Russland in die EU importiert werden können, ist unseres Erachtens derzeit völlig unklar. Insgesamt ist davon auszugehen, dass auf dem EU-Markt kurz- und mittelfristig eine beträchtliche Menge an Stahlprodukten fehlen wird.
Kostenentwicklungen
Die Preise für die zur Stahlherstellung benötigten Rohstoffe waren schon im letzten Jahr auf einem hohen Niveau. In den letzten Wochen sind nahezu alle Rohstoffpreise stark gestiegen, manche sogar geradezu explodiert. Ersteres gilt zum Beispiel für Stahlschrott und zweiteres für das zur Produktion von rostfreiem Stahl benötigte Legierungselement Nickel. Hier führten vor allem Spekulationen zu einer Verdreifachung des Preises binnen weniger Tage. Energiepreise sind ebenfalls stark gestiegen. Als Folge setzen manche Elektrostahlwerke aus Kostengründen Schichten aus, andere stellen für einige Zeit ihre Produktion komplett ein. Viele Stahlhändler und -verarbeiter sehen sich mit Aussagen von Stahlproduzenten konfrontiert, dass bestehende Aufträge zu vereinbarten Konditionen nicht mehr produziert oder ausgeliefert werden. Andere Werke bieten zeitweise nicht mehr an oder geben Angebote nur noch zu Tagespreisen ab. Dies alles beinhaltet große Schwierigkeiten für die Marktversorgung mit Stahlprodukten.
Logistik
Der Mangel an Berufskraftfahrern in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern ist bekannt. Nun hören wir, dass in den letzten Wochen verstärkt das Fehlen russischer und ukrainischer Fahrer festgestellt wird. Außerdem kommt es immer wieder zu coronabedingten Ausfällen und auch der starke Anstieg der Spritpreise ist bekannt. Als Resultat ist Frachtraum äußerst knapp und teuer.
Fazit
Materialverknappungen, Kostensteigerungen und die Verknappung bei Frachtraum haben in den letzten Wochen zu Situationen geführt, die wir auf den Stahlmärkten bisher nicht ansatzweise kannten. Wann eine wie auch immer geartete Entspannung auftritt, ist völlig unklar. Aus heutiger Sicht müssen wir uns zumindest kurz- und mittelfristig auf weiterhin nachhaltig gestörte Lieferketten einstellen.